Die AG Veranstaltungen
... in der neuen Gesellschaft
(Burbaum, Kellmann, Kriegerowski, Sauerwald, Tribin) befasst sich 2008
mit Nichtstun als Verweigerung,
Renitenz, Protest, Muße und als aktives Unterlassen.
Haftungsausschluss:
Auf verschiedenen Seiten dieser Website, sind Verweise zu anderen
Seiten im Internet (externe Links) eingebunden.
Mit Bezug auf das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12. Mai 1998
betonen wir ausdrücklich, dass wir keinerlei Einfluss auf die
Gestaltung und die Inhalte der verlinkten Seiten haben und uns deshalb
von diesen distanzieren. |
|
|
Ausstellung in der Galerie IG Bildende Kunst
Gumpendorfer Straße 10–12, 1060 Wien
T +43(1) 524 09 09
galerie(at)igbildendekunst.at
www.igbildendekunst.at
Bilder der Ausstellung im Archiv
der IGBK
Von 24. April bis 30. Mai 2008
Eröffnung Mittwoch, 23. April 2008, 19 Uhr
Öffnungszeiten Di bis Fr 13 bis 18 Uhr
24. April, 17 Uhr
Ausstellungsgespräch mit Claudia Burbaum und Christine Kriegerowski
Mit künstlerischen Beiträgen von:
Armin Chodzinski,
Lenka Clayton, Institut
für Primärenergieforschung,
Gabi Kellmann,
Christine Kriegerowski, LIGNA
(Ole Frahm, Michael Hüners und Torsten Michaelsen),
Thomas Locher,
Ulrike Mohr,
Mujeres sin Rostro,
Richard Schütz,
Nina Sidow, Rirkrit Tiravanija in Kooperation mit
Koch und Kesslau.
Kuratiert von Claudia Burbaum, Gabi Kellmann und Jan Sauerwald
Nichtstun wird zumeist mit nicht arbeiten, mit Freizeit, Langeweile, Genuss
oder Faulsein verbunden. Die Ausstellung geht über diese Assoziationen
hinaus und rückt Formen des widerständigen Nichtstuns und des
Widerstands gegen erzwungenes Nichtstun in den Vordergrund – Nichtstun
als aktives Unterlassen, als Verweigerung, stille Renitenz, Streik oder
Protest.
Nichtstun als Muße wurde von Aristoteles hoch geschätzt
und war nur dem kleinen Kreis der männlichen Elite vorbehalten, als
Müßiggang und kreative Pause ist sie wieder zeitgemäß.
Ulrike Mohr: The world, 2003/2008 Foto:
Mohr |
Mit dem Begriff Faulheit
sollen diejenigen stigmatisiert werden, denen schlicht das Geld zur
Muße fehlt. Ulrike Mohr drang in die Luxuswelt
für wenige Reiche ein. Zuerst besuchte sie unerlaubt die Baustelle
des Traumschiffs „The World“ und ließ sich später
als Millionärin getarnt zu einem Probewohnen in eines der 110
Appartements einladen. |
Nichtstun ist mehr als Nichtarbeit. Das Graffito „Ne
travaillez jamais“, das 1952 auf einer Mauer in der Rue de Seine
in Paris auftauchte, geht über den Aufruf, sich der Arbeit zu verweigern
hinaus. Die Situationistische Internationale begehrte gegen eine Gesellschaft
des Spektakels auf, sie verweigerte jedes zu Ende gebrachte Werk, jede
Arbeit und kämpfte für die Abschaffung jeder Form von Repräsentation,
für die Untergrabung jeder Autorität, die Zerstörung aller
Machtsymbole, die Abschaffung der Kunst, die Rückgewinnung der in
der Konsum- und Warengesellschaft enteigneten Lebenswirklichkeit. Mittlerweile
ist der Slogan selbst zu einem Modeartikel geworden, und wird ständig
zitiert. Diese Entwicklung nimmt Rirkrit Tiravanija inKooperation
mit Andreas Koch und Sybille Kesslau auf und übersteigert
sie ins Absurde.
Doch welche Handlungsmöglichkeiten bleiben im Neoliberalismus überhaupt
noch bestehen? Wie kann jede und jeder einzelne sich gegen die Verschlechterung
der Lebensbedingungen wehren? Christine Kriegerowski zeigt
die kleinen Verweigerungen, die aus Verzweiflung, Wut und Lustlosigkeit
entstehen und Armin Chodzinski stellt theoretische Überlegungen
an, in denen Nichtstun als komplexe Handlungspraxis innerhalb des Neoliberalismus
behauptet wird. Nichtstun: etwas Bestimmtes nicht oder nicht mehr tun.
Nicht produzieren, nicht effektiv sein, nicht für Lohn arbeiten,
Produktivitätsforderungen nicht nachkommen, sich nicht selbst ausbeuten,
nicht Teil der Gesellschaft sein, nicht repräsentieren.
Nina
Sidow und das Institut für Primärenergie
verweigern sich den Anforderungen der Kunstwelt ständig sich
selbst Verausgabendes zu produzieren und dabei an die eigenen physischen
und psychischen Grenzen zu gehen. Lenka Clayton verweist auf den
Glauben an Fleiß und Arbeitsamkeit, die sich mit Assoziationen
an die Überwachungsgesellschaft, der die Arbeit ausgeht, an
Passivität, Big Brother und Idiotie verbinden und verwirren.
|
Institut für Primärenergie,
Jeder Freiheit ihre Kunst. 2005, Foto: IFPF |
Richard Schütz, beam me up, 2008,
Foto: Schütz |
Richard Schütz
zeigt das Nicht-Tun als subversives Moment im widerständigen
wie widersprüchlichen Akt, der sich als Spur des Sich-Selbst-Behauptens
im Selbstverlust in Erscheinungsformen von Komfort und Kontrolle einschreibt.
|
Nichtstun als Form des passiven
Widerstands.
In einer bewussten und zielgerichteten Aktion, gemeinsam mit anderen als
Blockade oder Streik, kann Nichtstun zu einer sehr sichtbaren und wirkungsvollen
Widerstandsform werden. Ein Beispiel sind die Proteste gegen den G8 Gipfel
2007 in Deutschland. Die Fotografien von Gabi Kellmann
zeigen die Kraft und Lebendigkeit, mit der bei der Besetzung des von Bundeswehr
und NATO geplanten Bombenabwurfgeländes (Bombodrom) bei Wittstock
unterschiedliche Formen zivilen Ungehorsams zu einem heiteren Spektakel
zusammengeführt wurden. Ausgehend von Willi Bredels Berichten vom
wilden Streik 1929 in der Maschinenfabrik N & K in Hamburg leitet
die Radio-Performancegruppe LIGNA die Zuhörer_innen
über dasFabrikgelände in eine imaginäre Abenteuerexkursion
durch Raum und Zeit. Ein Versuch Streikaktivist_innen auszubilden, Regeln
nicht einfach hinzunehmen und sie, wenn sie fast schon verinnerlicht sind,
außer Kraft zu setzen.
Nichtstun wird jedoch zur Qual, wenn es nicht Ergebnis
eigener Entscheidung ist, sondern Produkt von Disziplinierungsmechanismen.
Deshalb ist es manchmal notwendig, sich gegen von außen aufgezwungenes
Nichtstun wie Arbeits- oder Berufsverbot, Residenzpflicht oder das Verbot
der politischen Betätigung für Asylbewerber aufzulehnen.
Thomas Locher verweist mit seiner Arbeit darauf, dass
souveränes Handeln und Kommunizieren für Asylbewerber_innen
mithilfe von Gesetzen unmöglich gemacht werden soll. Gleichzeitig
widerspricht er der Autorität des Gesetzes und öffnet die Möglichkeit,
sich ebenfalls zu äußern, zu hinterfragen und in letzter Konsequenz
zu verweigern. Die Mujeres sin Rostro (Frauen ohne Gesicht)
sind eine Gruppe lateinamerikanischer Frauen, die ohne Papiere in der
BRD leben. Sie stellen Arpilleras (Wandteppiche) her, um ihren Protest
gegen die Illegalität zum Ausdruck zu bringen. Mit ihren Arbeiten
überführen sie eine Widerstandspraxis in die Gegenwart, die
bereits während der Pinochet-Diktatur in Chile, aber auch in anderen
lateinamerikanischen Zwangsregimes genutzt wurde. |