Vielleicht scheut man sich auch, dem Geld, dessen Wert doch vom Menschen künstlich festgesetzt wird, massenbildende Wirkungen zuzuschreiben, die über seine eigentliche Bestimmung weit hinaus und etwas Sinnwidriges und unendlich Beschämendes an sich haben.

Geld kann zum einem Massensymbol werden; aber im Gegensatz zu andren Massensymbolen ist es ein Symbol, bei dem die Einheiten, durch deren Häufung sich unter Umständen eine Masse bildet, auf die nachdrücklichste Weise betont sind. Jede Münze ist scharf abgegerenzt und hat ein eigenes Gewicht; sie ist auf den ersten Blick zu erkennen; sie bewegt sich frei von Hand zu Hand und wechselt unaufhörlich ihre Nachbarschaft. Oft ist ihr der Kopf eines Herrschers aufgeprägt, nach dem sie, besonderes wenn sie von großem Wert ist, manchmal auch benannt wird. Es hat Louisdors gegeben und Maria-Theresien-Taler. Man empfindet die Münze gern als eine fassbare Person. Die Hand, die sich um sie schließt, spürt sie überall, an all ihren Kanten und Flächen. Eine gewisse Zärtlichkeit für die Münze, die einem dies oder jenes verschaffen kann, ist allgemein menschlich und trägt zu ihrem persönlichen <Charakter> bei. In einem Punkte ist die Münze dem lebenden Geschöpf überlegen: ihre metallene Konsistenz, ihre Härte sichert ihr einen <ewigen> Bestand; sie ist - außer durch Feuer - kaum zu zerstören. Die Münze wächst nicht zu ihrer Größe heran; sie kommt fertig aus dem Prägestock und soll dann bleiben, wie sie ist; sie darf sich nicht verändern.
Canetti - "Masse und Macht"